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Ferguson faktisch unter Kriegsrecht

Freitag 22. August 2014, von Robert Paris

Ferguson faktisch unter Kriegsrecht

Der Bundesstaat Missouri hat mit voller Unterstützung der Obama-Regierung faktisch das Kriegsrecht über die Arbeiterstadt Ferguson verhängt. Es richtet sich gegen die andauernden Proteste gegen den Polizeimord an dem unbewaffneten afroamerikanischen Teenager Michael Brown.

Den Einwohnern wird ihr verfassungsmäßiges Recht verwehrt, sich zu versammeln. Reporter werden festgenommen oder des Platzes verwiesen und damit die Pressefreiheit mit Füßen getreten. An großen Kreuzungen sind Kontrollposten eingerichtet, wo sich jeder Passant ausweisen muss. Zahlreiche militärische Fahrzeuge, Hubschrauber, Schallkanonen, Blendgranaten, Tränengas, mit Sturmgewehren bewaffnete SWAT-Teams, Polizisten und Nationalgardisten sind im Einsatz, um den sozialen Protest einzuschüchtern, zu terrorisieren und zu zerschlagen.

Montagnacht wurde das Vorgehen gegen die überwiegend friedlichen Protestierenden verschärft, die Gerechtigkeit für den Mord an Brown forderten. 78 Menschen wurden festgenommen, weil sie offenbar einer polizeilichen Anordnung, sich zu zerstreuen, nicht nachgekommen waren, obwohl es für die Anordnung keine juristische oder verfassungsmäßige Grundlage gab.

Das Ausmaß der Unterdrückung ist ohne jedes Verhältnis zu der angeblichen Bedrohung durch “kriminelle Elemente“. Auf einer Pressekonferenz um 2.20 Uhr Dienstagnacht konnte Highway Patrol Captain Ron Johnson zur Rechtfertigung der Übergriffe und Verhaftungen lediglich zwei Handfeuerwaffen, einen Molotowcocktail und einige Wasserflaschen vorweisen, die die Polizei angeblich erbeutet haben will. Johnson war vergangene Woche vom Demokratischen Gouverneur Jay Nixon als Verantwortlicher für die Sicherheitsoperationen in Ferguson berufen worden. Er riet friedlichen Demonstranten, Dienstagnacht zu Hause zu bleiben, damit die Polizei alle so genannten „auswärtigen Agitatoren“ auf den Straßen identifizieren und festnehmen könne.

Die willkürliche und unverhältnismäßige Gewaltanwendung kennzeichnet die gesamte Krise. Brown, der keine Waffe trug, wurde mit sechs Schüssen regelrecht hingerichtet. Auf den friedlichen Protest empörter Anwohner folgte eine martialische Repression mit Massenfestnahmen; der Ausnahmezustand wurde ausgerufen, praktisch wurde Kriegsrecht verhängt.

Videoberichte der World Socialist Web Site zeigen, dass Einwohner von Ferguson Vergleiche ziehen zwischen der Besetzung ihrer Stadt durch Militär und Polizei und der Anwendung ähnlicher Methoden durch die Regierung der Vereinigten Staaten im Irak und in Afghanistan. Sie weisen auf die Heuchelei der Behauptung Washingtons hin, im Nahen Osten und Zentralasien würden demokratische Rechte und Menschenrechte verteidigt. Im eigenen Land reagieren sie auf jede Äußerung von sozialem Protest mit den gleichen antidemokratischen und gewaltsamen Methoden, wegen derer sie angeblich fremde Regierungen stürzen.

Nur wenige Tage vor Browns Erschießung warnte die WSWS in einer Perspektive vom 4. August („Das Morden in Gaza: Eine Warnung an die internationale Arbeiterklasse“): „Der israelische Angriff auf Gaza ist eine Warnung, welche Maßnahmen gegen den Widerstand der Arbeiterklasse gegen Krieg, Militarismus und Kürzungspolitik eingesetzt werden können. Die Methoden, die in einem Jahrzehnt von amerikanischen Kriegen in Afghanistan und dem Irak entwickelt wurden, um eine feindselige Bevölkerung zu terrorisieren, werden auch gegen Arbeiter eingesetzt werden, die für ihre Arbeitsplätze, ihren Lebensstandard und ihre demokratischen Rechte kämpfen.“

Der Rückgriff auf Polizeistaatsmethoden in Ferguson ist das Ergebnis des langanhaltenden Zerfalls der amerikanischen Demokratie. Dieser Prozess trat mit dem Diebstahl der Präsidentschaftswahl von 2000 in ein neues Stadium ein. Er beschleunigte sich nach dem 11. September und der Ausrufung des so genannten „Kriegs gegen der Terror“. Dieser betrügerische Krieg diente von Anfang an dazu, imperialistische Kriege und den Angriff auf demokratische Rechte in den USA selber zu rechtfertigen.

In den letzten dreizehn Jahren ist das staatliche Unterdrückungspotential auf Kosten demokratischer Rechte enorm ausgeweitet worden. Das Ergebnis ist ein Polizeistaat in Bereitschaft. Dem USA Patriot Act, der die hemmungslose Ausspähung der amerikanischen und der Weltbevölkerung legalisierte, folgte die Einrichtung des Heimatschutzministeriums, unter dessen Kontrolle die örtlichen Sheriff-Departements in paramilitärische Aufstandsbekämpfungstruppen verwandelt wurden. Ferner wurde das Northern Command eingerichtet, das erste militärische Oberkommando für das Territorium der Vereinigten Staaten überhaupt.

Diese Neuerungen wurden von zahllosen Studien und Plänen begleitet, die das Militär, die Geheimdienste und mehrere Think Tanks für Urban Warfare (Kriegsführung in Städten) entwickelt hatten, um in den USA soziale Unruhen im Keim zu ersticken. Der Bombenanschlag auf den Boston Marathon 2013 wurde als Vorwand genutzt, solche Pläne auszutesten. Zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte wurde eine Großstadt unter Militär- und Polizei-Kuratel gestellt und die Bürgerrechte praktisch suspendiert. Nirgendwo im Establishment, weder in der Politik noch in den Medien, rührte sich Widerstand. Das zeigt, dass Demokratie in der herrschenden Klasse keinerlei Unterstützung mehr genießt.

Der Angriff auf demokratische Rechte unter George W. Bush beschleunigte sich unter Barack Obama. Der aktuelle Präsident schützt nicht nur die Autoren der Folterprogramme und des Gulag in Guantánamo vor strafrechtlicher Verfolgung, er nimmt sich auch das Recht heraus, amerikanische Bürger ohne rechtsstaatliches Verfahren für immer einzusperren und sogar zu ermorden, und wie er selbst erklärte, tut er das auch.

Die Triebkraft hinter diesen weit fortgeschrittenen Vorbereitungen auf einen Polizeistaat ist die ungeheure soziale Ungleichheit. Eine quasi-kriminelle Wirtschafts- und Finanzelite, die sich an parasitären Spekulationen bereichert, eignet sich selbst einen immer größeren Anteil am gesellschaftlichen Reichtum an, während sie die industrielle Infrastruktur und anständig bezahlte Arbeitsplätze zerstört. Diese Form der Kriminalität ist unauflöslich mit einer kriminellen Außenpolitik, Aggression, Krieg und Plünderung verbunden.

Jede demokratische und soziale Forderung der Arbeiterklasse stößt mit den gesellschaftlichen Interessen dieser neuen Aristokratie zusammen. Diese sieht jeden sozialen Protest als Bedrohung ihrer Interessen an, der sofort zerschlagen werden muss.

Der riesige, unkontrollierte Militär-, Polizei- und Geheimdienstapparat, der über die Jahre aufgebaut worden ist, muss die Interessen dieser kriminellen kapitalistischen Elite absichern. Eine politische Analyse der Ereignisse in Ferguson darf nicht an dem leeren und verlogenen Geschwätz von Leuten wie Obama ansetzen, sondern muss in Betracht ziehen, was diese wirklich tun: Sie mobilisieren im Interesse der Finanzoligarchie die repressive Staatsgewalt, um die Arbeiterklasse in Ferguson zu terrorisieren, und einen Präzedenzfall für Städte im ganzen Land zu schaffen.

Das ist die Realität in Amerika. Nicht zufällig ist das sozial ungleichste Land unter den großen Industrienationen auch das am wenigsten demokratische. Die Ursache ist das kapitalistische System selbst, das nicht mehr in der Lage ist, die grundlegenden Bedürfnisse der Arbeiterklasse, der großen Mehrheit der Bevölkerung zu befriedigen.

Barry Grey

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