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Thomas Kuhn, Postmodernismus und materialistische Dialektik

Montag 25. November 2013, von Robert Paris

Thomas Kuhn, Postmodernismus und materialistische Dialektik

Von William Whitlow

William Whitlow beantwortet eine Leserfrage zu dem Soziologen Thomas S. Kuhn, Autor des Werkes Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen.

Lieber William Whitlow,

als regelmäßiger Leser der WSWS habe ich Ihren Artikel zum NASA-Experiment Gravity Probe B (vgl. Einsteins Schwerkrafttheorie durch NASA-Satelliten bestätigt), der vor einigen Monaten veröffentlicht wurde, mit großem Interesse gelesen. Ich glaube allerdings, dass Sie am Ende des Artikels irren. In Ihrem drittletzten Absatz identifizieren Sie die naive Auffassung, dass Fortschritt in der Wissenschaft allein der Arbeit einiger großer Männer zu verdanken sei, mit derjenigen, die Thomas Kuhn in seinem Werk herausgearbeitet hat. Sie schreiben: „Es gibt den weitverbreiteten Glauben, dass Wissenschaft sich einzig auf Grundlage individuellen Genies weiterentwickelt. Die Arbeiten des Soziologen Thomas Kuhn förderten diese verzerrte Auffassung von wissenschaftlichem Fortschritt. Kuhn behauptete, dass infolge der Arbeit herausragender Individuen, die neue Theorien entwickeln, die Wissenschaft einem periodischen Paradigmenwechsel unterliege.“

Erstens glaube ich, dass es nicht richtig ist, Kuhns Konzeption in nur einem Satz abzutun. Schließlich ist Kuhn nach wie vor ziemlich populär unter ernst zu nehmenden Wissenschaftlern; dies hängt gewiss damit zusammen, dass er einigen Einblick in Praxis und Geschichte der Wissenschaft hatte. Zweitens sollte festgehalten werden, dass Ihre Kurzfassung von Kuhns Konzept ziemlich falsch ist. Kuhn widmet in seinem maßgebenden Werk Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen einen beträchtlichen Teil ausschließlich der von ihm so genannten „normalen Wissenschaft“ (drei von fünfzehn Kapiteln, was in meiner Ausgabe 35 von 190 Seiten entspricht, befassen sich ausgiebig mit der Besonderheit der „normalen Wissenschaft“). Diese Art wissenschaftlicher Arbeit, um es kurz zu fassen, beschäftigt sich mit dem Lösen von Rätseln innerhalb eines Rahmens von mehr oder weniger klar formulierten Gesetzen, die durch das jeweilige herrschende Paradigma festgelegt werden.

In Anbetracht Ihrer Ausführungen dürfte es eine Überraschung für Sie sein, dass die Details des von Ihnen im ersten Teil des Artikels erläuterten Experimentes sehr gut auf Kuhns Beschreibungen der Arbeit der normalen Wissenschaft passen: Die Wissenschaftler arbeiten innerhalb des Rahmens, den das herrschende Paradigma (die Allgemeine Relativitätstheorie) ihrer wissenschaftlichen Spezialisierung (die Astrophysik) vorgibt. Innerhalb dieses Rahmens ergeben sich zahlreiche zu lösende Rätsel. Das Team setzt sich mit dem Rätsel auseinander, wie die Struktur der Raumzeit nahe der Erde vermessen und wie einige Auswirkungen der Allgemeinen Relativitätstheorie, die auf Basis theoretischer Berechnungen gefolgert werden, überprüft werden können; und es gelingt ihnen, indem sie eine Reihe technischer Instrumente, wie Gyroskope, Teleskope, supraleitendes Material usw. in genialer Weise zur Anwendung bringen, diese Probleme zu lösen.

Kuhn war weit davon entfernt, wissenschaftlichen Fortschritt auf die Errungenschaften einiger weniger Individuen zu reduzieren. Außerdem ist eines der Kernstücke des erwähnten Buches die Darlegung, dass wissenschaftliche Revolutionen nicht vom Himmel fallen, sondern als Antwort auf eine Krise, welche die Schwäche des herrschenden Paradigmas aufdeckt, entwickelt (und durch die wissenschaftliche Gemeinschaft anerkannt) werden. Es ist wohlbekannt (und eines von zahlreichen Beispielen, die Kuhn in seinem Essay anführt), dass der Formulierung der Allgemeinen Relativitätstheorie eine solche Krise vorausging. Die Theorie wurde entwickelt, nachdem es immer schwieriger geworden war, die zahlreichen Widersprüche zu lösen, die durch das Ineinandergreifen der Theorien des Elektromagnetismus und der Klassischen Mechanik entstanden. Ich bin sicher, dass Kuhns Konzeption viele Schwächen hat. Allerdings glaube ich, dass eine differenziertere Beurteilung seiner Arbeit vonnöten ist.

Mit freundlichem Gruß,

David L.

***

Lieber David,

besten Dank für Ihre Antwort auf meinen Artikel. Die Bezugnahme auf Thomas Kuhn war viel zu knapp, deshalb möchte ich jetzt den Versuch unternehmen, den am Ende meines Artikels vertretenen Standpunkt zu klären und mein Verständnis von Kuhn, besonders seines Werks Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen,[1] deutlich machen.

Lassen sie mich als Erstes einen Einwand erheben gegen ihre Behauptung, Kuhn sei populär unter “ernst zu nehmenden Wissenschaftlern”. Mir ist nicht bekannt, ob hierzu jemals eine Umfrage stattgefunden hat, doch wird jeder Wissenschaftler, der ernsthaft Kuhns Schriften studiert hat, über dessen Opposition gegen die Möglichkeit von Objektivität entsetzt sein.

Alan Sokal, dessen berühmt gewordene satirische Arbeit, die 1996 von Social Text, einer amerikanischen Zeitschrift für Kulturwissenschaft akzeptiert wurde, leistete ganze Arbeit bei der Entlarvung der Degeneration, von der die Geistes- und Sozialwissenschaften ergriffen wurden. Sokal, Professor für Mathematik am University College in London und für Physik an der Universität von New York, setzt sich entschieden gegen Kuhns Idee ein, „dass unsere Erfahrung der Welt radikal durch unsere Theorien bedingt ist, die ihrerseits vom Paradigma abhängen.“[2]

Für Wissenschaftler, die ihre Zeit damit verbringen, eine äußere, von ihrem Bewusstsein unabhängige Welt zu untersuchen, ist Kuhns Relativismus inakzeptabel. Ich würde behaupten, dass Kuhns Struktur wissenschaftlicher Revolutionen weit mehr Einfluss unter Nichtwissenschaftlern gewann. Es ist kein übliches Buch über Wissenschaftsgeschichte und –philosophie.

Thomas Nickles[3] stellt fest: “Bis jetzt wurde von dem Buch, das in zwei Dutzend Sprachen vorliegt, über eine Million Exemplare verkauft. Für ein wissenschaftliches Werk, das ein abstraktes philosophisches Thema behandelt, ist das eine fast beispiellose Zahl. Die breite Rezeption des Werkes, die Kuhn selbst sehr überrascht hat, erhob Begriffe wie ‚Paradigma‘ und ‚Paradigmenwechsel‘ zu vertrauten Schlagwörtern. Sie hielten Einzug in Werbesprüche, Vorstandsetagen und Washingtons Behördensprache.“

Gemäß einem mehr kritischen Buch von Steve Fuller[4] gab es ebenso eine „Tendenz unter Geisteswissenschaftlern und Soziologen, seine [Kuhns] Darstellung der Wissenschaft pauschal zu akzeptieren, ohne sie gründlich zu analysieren oder ihre Grundideen zu entwickeln.“ Fuller hat gewiss Recht, wenn er auf die Struktur als „vollendetes postmodernistisches Werk“ verweist.

Die postmodernistische Tendenz innerhalb des modernen akademischen Betriebs mit ihrem sogenannten „Ende der großen Erzählungen“ und ihrer Opposition gegen die Möglichkeit objektiver Wissenschaft gelten gewöhnlich als hergeleitet von Jean-Francois Lyotard und anderen französischen Denkern. Fuller erklärt, dass Kuhn der angelsächsischen akademischen Welt eine „postmoderne Denkart“ erleichterte, ohne irgendwelche Bezüge zu französischen Traditionen zu nehmen.

Weiter möchte ich bestreiten, dass das GP-B-Experiment, über das ich berichtet habe, in Kuhns Konzeption von “normaler Wissenschaft” passt, wie Sie behaupten. Die Wissenschaftler setzten sich nicht, wie Sie es nennen, „mit dem Rätsel auseinander, wie die Struktur der Raumzeit nahe der Erde vermessen und wie einige Auswirkungen der Allgemeinen Relativitätstheorie (…) überprüft werden können.“ (Dies ist nicht einmal eine genaue Darstellung von Kuhns Idee, denn Kuhn hielt die Prüfung einer Theorie nicht für Teil der „normalen Wissenschaft“; er schreibt: „Und dennoch tut das Individuum, das an einem normalen Forschungsproblem arbeitet, fast niemals etwas Derartiges.“ Wobei er unter „Derartigem“ das „Prüfen anerkannter Auffassungen“ einschließt.[5])

Ich zitierte den GP-B-Physiker John Mester, der die bekannte Diskrepanz erklärte, die zwischen der allgemeinen Relativität, unserer herrschenden Gravitationstheorie, und dem „Standardmodell“ herrscht, das für die übrigen Naturkräfte gilt und auf subatomaren Skalen operiert: „Die Erprobung von Theorien auf hohem Präzisionsniveau wird dabei helfen, ihren Gültigkeitsbereich zu definieren oder erweisen, an welchen Stellen die Theorien scheitern.“ In anderen Worten: die NASA-Forscher sind sich dessen absolut bewusst, dass Einsteins Theorie außerhalb bestimmter „Toleranzen“, die bestimmt werden müssen, scheitern wird. Es gibt keine blinde Zustimmung zu einem Paradigma in der Weise, wie Kuhn dies nahelegt.

Schauen wir zurück auf die Konflikte, Zweifel und Auseinandersetzung um Einsteins Theorie, die während des vergangenen Jahrhunderts auftauchten, so müssen wir Kuhns niedliches Bild von „Aufräumarbeiten“, mit dem er etwas verächtlich die „normale Wissenschaft“ umschreibt, zurückweisen. Eher sehen wir einen langwierigen Kampf um grundlegende Fragen. Einstein ergänzte ursprünglich seine Theorie um eine „kosmologische Konstante“, weil er glaubte, dass das Universum notwendig statisch sein müsse, um nicht unter seiner eigenen Anziehung zusammenzubrechen. Während der 1920er Jahre zeigten Alexander Friedmann und Georges Lemaître, dass die Lösungen der Einsteinschen Gleichungen ohne Annahme einer Konstante ein expandierendes Universum ermöglichen. Ihre Ergebnisse blieben bis 1930 unberücksichtigt, als Edwin Hubble mithilfe seiner berühmten „Rotverschiebung“ Beobachtungen entfernter Galaxien vornahm und klar nachwies, dass das Universum tatsächlich expandiert. Einstein nahm die kosmologische Konstante aus seiner Theorie heraus und nannte sie später „den größten Fehler meines Lebens“.[6] Die Kosmologie des expandierenden Universums führte zu der heute akzeptierten „Urknall“-Theorie.

Ich könnte die dann folgenden Entwicklungen durchgehen: darunter Fred Hoyles Steady-State-Theorie (Gleichgewichtstheorie) sowie andere, welche die Big-Bang-Theorie infrage stellten; die Erkenntnis, dass Einsteins Theorie die Existenz schwarzer Löcher vorhergesagt hat mit all den darauffolgenden astronomischen Nachforschungen; die Kontroverse um Einsteins fehlgeschlagene Versuche, die Allgemeine Relativität zu einer Einheitlichen Feldtheorie auszuweiten, mit der er in Widerspruch zur akzeptierten Theorie der Quantenmechanik geriet, die er für unbefriedigend hielt; und anderes mehr. Selbst jetzt wird die Theorie umgebildet. In jüngster Zeit wurde die kosmologische Konstante wieder eingesetzt und mit „Dunkler Energie“ in Zusammenhang gebracht, von der angenommen wird, dass sie drei Viertel der Masse des Universums ausmacht. Nur durch fahrlässigsten Missbrauch der Sprache kann eine solch reiche Geschichte als „Paradigma“ bezeichnet werden, welches Einstein einführte und dem im darauffolgenden Jahrhundert „normale“ Wissenschaft hinterher ging.

Eine der zentralen Behauptungen der Kuhnschen Theorie ist, dass abseits „normaler“ Perioden keine historische Entwicklung in der Wissenschaft stattfindet. In gewissem Sinne kann ich mit Ihnen darin übereinstimmen, dass er nicht “wissenschaftlichen Fortschritt auf die Errungenschaften einiger weniger Individuen“ reduziert, denn wenn Sie Kuhn ernsthaft studieren, werden Sie feststellen, dass er überhaupt nicht daran dachte, Fortschritt in den „Paradigmenwechseln“ stattfinden zu lassen. Wissenschaft sei „nicht kumulativ“, wie er sich ausdrückte. „Der Übergang von einem krisenhaften Paradigma zu einem neuen, aus dem eine neue Tradition der normalen Wissenschaft hervorgehen kann, ist weit von einem kumulativen Prozess entfernt…“[7]

Was Individuen angeht, so besteht der springende Punkt, auf den ich hinweisen will, in der subjektiven Natur seiner Philosophie. Kuhn webt ganze Spulen seiner „revolutionären“ Konzeption um einige wenige Individuen: Kopernikus, Galileo, Newton, Lavoisier und Einstein; das gilt auch dann, wenn er auf kleinere „Revolutionen“ verweist, an denen eine Reihe Wissenschaftler beteiligt waren. Kuhns Ansicht ist, dass in einer „Revolution“ ein kompletter Wechsel der Weltanschauung stattfinde und dass die Paradigmata vor und nach der Revolution „inkommensurabel“ seien. Sie können nicht an denselben Standards gemessen werden und bedürfen eines unterschiedlichen Vokabulars. Kuhn vergleicht diese Paradigmenwechsel mit dem Wahrnehmungswandel, der aus der Gestaltpsychologie bekannt ist (wie das populäre Beispiel eines Bildes, das zunächst als Ente wahrgenommen, aber plötzlich als Kaninchen gesehen wird). Ich behaupte, dass dies eine irrationale Anschauung ist, die den gesamten Ansatz der Naturwissenschaften angreift und den Weg für extreme Subjektivität öffnet: Jedermanns Interpretation überwiegt, solange sie genügend Mitglieder der wissenschaftlichen Gemeinde überzeugen kann.

Sie schreiben, dass Einsteins Ausarbeitung der Allgemeinen Relativitätstheorie in Kuhnschen Begriffen verstanden werden kann. Aber lesen Sie bitte noch einmal, was Kuhn tatsächlich in der Struktur sagt. Er sagt, die Newtonschen Gesetze als Spezialfall der Einsteinschen Theorie abzuleiten sei „falsch“. Im Ableitungsprozess, der den Gebrauch der Mathematik und formalen Logik einschließt, „haben wir die fundamentalen Strukturelemente abwandeln müssen, aus denen sich das Universum, auf welches sie angewandt werden, zusammensetzt.“ (Man beachte die Mehrdeutigkeit hier. Wandelt sich das Universum oder nur die Theorie? Wir werden darauf zurückkommen.) Es gebe, sagt Kuhn, eine „Verschiebung des Begriffsnetzes“, von der Newtonschen zur Einsteinschen Mechanik. „Die Gegensätze zwischen aufeinanderfolgenden Paradigmata“ seien „ebenso notwendig wie unversöhnbar.“ Er schreibt: „Die normal-wissenschaftliche Tradition, die aus einer wissenschaftlichen Revolution hervorgeht, ist mit dem Vorangegangenen nicht nur unvereinbar, sondern oft sogar inkommensurabel.“[8]

Kuhn folgert, dass eine Entfaltung von Ideen, ausgedrückt allein in Begriffen der formalen Logik und der Mathematik, nicht möglich ist. Sie führe zu „inkommensurablen“ Theorien und Auffassungen und zerstöre infolgedessen die Möglichkeit der Vernunft in der Geschichte der Wissenschaft und des Denkens. Kuhn schrieb über die Philosophie der Geschichte und der Wissenschaft gänzlich unbeleckt von der Tatsache, dass diese Frage schon früher von Philosophen aufgenommen wurde. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte der Philosoph Georg Wilhelm Hegel die Dialektik. Das formale Denken stellte Immanuel Kant, den herausragendsten Denker der deutschen Aufklärung, vor unüberwindliche Probleme, und führte ihn auf einen subjektivistischen Kurs. Hegel entwickelte seine dialektische Logik in der Tradition des Deutschen Idealismus im Reich der Ideen; Marx führte Hegels Methode in eine radikal andere, materialistische Richtung, und untersuchte Natur, Ökonomie und Geschichte auf dialektischem Wege.

Eine Darstellung aus dem 20. Jahrhundert bietet Leo Trotzkis “ABC der Materialistischen Dialektik“[9]:

„Unser wissenschaftliches Denken ist nur ein Teil unserer allgemeinen Praxis, die Technik eingeschlossen. Für Ideen gibt es auch eine ‚Toleranz‘, die nicht von der formalen Logik bestimmt wird, ausgehend vom Axiom ‚A‘ ist gleich ‚A‘, sondern von der dialektischen Logik, die von dem Axiom ausgeht, dass sich alles ständig verändert. (…) Das dialektische Denken untersucht alle Dinge und Erscheinungen in ihrer ununterbrochenen Veränderung, und bestimmt in den materiellen Bedingungen dieser Veränderungen jene kritische Grenze, jenseits derer ‚A‘ aufhört ‚A‘ zu sein (…) Hegel stellte in seiner Logik eine Reihe von Gesetzen auf: das Umschlagen von Quantität in Qualität, die Entwicklung durch Widersprüche, der Widerstreit von Inhalt und Form, die Unterbrechung der Kontinuität, das Umschlagen von Möglichkeit in Unvermeidbarkeit usw., diese Gesetze sind für das theoretische Denken ebenso wichtig wie der einfache Syllogismus für einfachere Aufgaben.“

Es gibt nichts “Inkommensurables”, wenn wir die Frage dialektisch untersuchen. Newtons Theorie ist eine Annäherung an diejenige Einsteins; sie wird in ihr aufgehoben und auf höherer Ebene aufbewahrt. Es gibt einen dialektischen Verlauf von der einen zur anderen. Einstein selbst arbeitete, wie alle ernst zu nehmenden Naturwissenschaftler, als unbewusster Dialektiker. In seinem Buch Grundzüge der Relativitätstheorie[10] hat Einstein keine Schwierigkeit zu schreiben, dass seine Theorie Newtons Theorie „enthält“. Er bemerkt, dass Newtons Theorie eine „Näherung“ an seine eigene sei – genau in jenem Sinne, den Kuhn als „positivistisch“ oder als Teil der „alten Geschichtsschreibung“ verurteilt. Einstein schreibt: „Man sieht (…), dass auch in erster Näherung die Struktur des Gravitationsfeldes von derjenigen gemäß Newtons Theorie prinzipiell abweicht.“ Einstein sagt, dass seine Theorie Newtons Theorie sowohl enthält als such von ihr abweicht. Es gibt hier keinen Hinweis auf Inkommensurabilität, er hat kein philosophisches Problem mit der dialektischen Entwicklung.

Hegel und Marx verstanden, dass Auffassungen und Ideen sich gesellschaftlich entwickeln, indem gegensätzliche Standpunkte und Tendenzen miteinander ringen. Marx war freilich der erste, der die fundamentale Bedeutung der Technologie in der Entwicklung der Gesellschaft betonte. Beachten Sie den ersten Satz in dem obigen Trotzki-Zitat. Dieses Argument legte ich in meinem Artikel vor: „Das GP-B-Projekt demonstriert hingegen, dass Wissenschaft ein gesellschaftliches Unterfangen ist und sich in enger Beziehung mit technologischem Fortschritt entwickelt. Zweifellos sind die Arbeit und der Beitrag individueller Genies wie Einstein unerlässlich. Dieser Beitrag hängt jedoch ab von einer umfassenden wissenschaftlichen Kultur, in der diese Genies ausgebildet wurden und gegen die sie ihre Ideen erproben. Die Erschaffung wissenschaftlicher Kultur ist das Werk von Generationen und nicht brillanter aber isolierter Erkenntnisse oder eigenbrötlerischer Versuchserfolge.“

Ich habe zur Frage der Technologie aus Trotzkis Artikel Kultur und Sozialismus[11] zitiert:

“’Bewegt die Kultur die Technik oder die Technik die Kultur vorwärts?’ Eine solche Fragestellung ist falsch. Die Technik kann der Kultur nicht gegenüber gestellt werden, denn sie ist ihre grundlegende Triebfeder. Ohne Technik keine Kultur. Die Entwicklung der Technik bewegt die Kultur vorwärts. Doch der Fortschritt der Wissenschaft und der allgemeinen Kultur auf der Grundlage der Technik stellen einen mächtigen Beistand bei der weiteren Entwicklung der Technik dar. Hier besteht eine dialektische Wechselwirkung.“

Kuhn weist diese dialektische Beziehung zwischen Kultur und Technologie zurück, konzentriert sich mit Absicht auf dasjenige, was jetzt „innere“ Entwicklung der Wissenschaft genannt wird und vermeidet jede Diskussion über Technologie, Gesellschaft oder tiefergehende ideologische Fragen. Der subjektive Charakter seines Ansatzes wird hierdurch hervorgehoben. Soweit er die Zusammenstöße und Widersprüche zwischen den widerstreitenden Tendenzen und Schulen wissenschaftlichen Denkens bespricht, ohne die keine Kritik und Erarbeitung objektiver Anschauungen und Theorien möglich wäre, zwängt er diesen gesamten Prozess in einen starren „Paradigmenwechsel“, dessen Ursprung er nicht erklären kann und der keine Beziehung zu vorherigen wissenschaftlichen Ideen hat.

Man vergleiche Kuhns Theorie des Paradigmenwechsels mit der marxistischen Auffassung, wie sie von Trotzki in seiner Würdigung des großen russischen Chemikers Dimitri Mendelejew dargelegt wird:

„Die Wissenschaft insgesamt war auf die Erkenntnis des Seienden, auf die Erforschung der Gesetze des Weltalls ausgerichtet; um die Materie besser beherrschen zu können, war sie auf das Auffinden ihrer Eigenschaften und Beschaffenheit gerichtet. Aber die Erkenntnis entwickelte sich nicht innerhalb verschlossener Laboratorien und Hörsäle – nein, sie war eine Funktion der menschlichen Gesellschaft und spiegelte deren Struktur wider. Die Gesellschaft benötigte die Naturwissenschaft für ihre Bedürfnisse. Aber zur gleichen Zeit benötigte sie die Festigung ihres Rechts, die Legitimation ihrer Institutionen, das hieß vor allem der Institutionen der Klassenherrschaft; davor waren es diejenigen der Leibeigenschaft, der Adelsprivilegien, monarchischer Vorrechte, nationaler Ausschließlichkeit usw.“ [12]

Zweifellos bietet Trotzki hier eine Analyse des wissenschaftlichen Fortschritts und der Beziehung des Wissenschaftlers zur Gesellschaft, die Kuhns vereinfachende Darbietung weit überragt. Trotzki beharrt darauf, dass die Naturwissenschaft, oftmals über Generationen hinweg, ihre Theorien überprüft und bestätigt. Er fährt fort, die Naturwissenschaften mit den Sozialwissenschaften, wie der Ökonomie und der Soziologie, zu vergleichen und zeigt den wesentlichen Unterschied zwischen ihnen auf.

“Die Menschen müssen die Natur erkennen, weil sie sie sich unterwerfen. Auf diesem Gebiet werden alle Abweichungen von den durch die Eigenschaften der Materie selbst bestimmten objektiven Verhältnissen durch praktische Erfahrung korrigiert. Nur dadurch bleiben die Naturwissenschaften, besonders die chemische Forschung, von absichtlichen, unabsichtlichen, versehentlichen Entstellungen, Fehldeutungen und Verfälschungen frei. Die Sozialforschung hat sich jedoch vor allem um die Rechtfertigung der geschichtlich entstandenen Gesellschaft gekümmert, um sie vor Angriffen ‚destruktiver Theorien‘ zu schützen. Darum spielen die offiziellen Sozialwissenschaften der bürgerlichen Gesellschaft eine apologetische Rolle, und darum sind sie von geringem Wert.“[13]

Kuhn analysiert nicht das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft oder zwischen Wissenschaft und Natur. Wir sitzen mit dem Wissenschaftler innerhalb des verschlossenen Laboratoriums und schauen ihm zu, wie er sich eine Theorie nach seinem Gusto herrichtet und die, falls er genug Kollegen überzeugen kann, sie zu akzeptieren, das neue herrschende Paradigma wird.

Klassenvorurteile innerhalb der Sozialwissenschaften dehnen sich auch auf die Philosophie aus. Wir erwähnten bereits Kuhns Ignoranz der Dialektik, welche die tiefgehende Voreingenommenheit der akademischen Welt gegenüber Hegel und Marx reflektiert. Wir nahmen außerdem Kuhns Uneindeutigkeit in seinem Verhältnis zu philosophischen Fragen zur Kenntnis, welche die Existenz eines materiellen Universums unabhängig vom menschlichen Bewusstsein betreffen. Hier ist ein weiteres Beispiel:

“Wenn auch die Welt mit dem Wechsel eines Paradigmas nicht wechselt, so arbeitet doch der Wissenschaftler danach in einer anderen Welt. Trotzdem bin ich überzeugt, dass wir lernen müssen, Behauptungen, die diesen zumindest ähnlich sind, einen Sinn abzugewinnen.“[14]

Solche mehrdeutigen und saloppen Formulierungen helfen möglicherweise, die Popularität des Kuhnschen Werkes zu erklären. Der Leser findet das passende Zitat, um zeigen zu können, dass „Wissenschaft“ im Einklang mit allen Arten des Mystizismus steht.

Glücklicherweise arbeitete der deutsche Philosoph Paul Hoyningen-Huene ein Jahr lang am Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit Kuhn zusammen und studierte alle seine Arbeiten. Soweit er in der Lage war, „rekonstruierte“ er solche Werke wie das genannte und legte ihre Bedeutung dar.[15] Er stellt fest, dass Kuhn den Begriff „Welt“ in zweierlei Weise gebraucht. Die Welt, die „nicht wechselt“ ist die Welt Kants, „von der wir nicht wissen können“; selbst indirekter Zugriff auf diese Welt ist nach Kuhn unmöglich. Sie entspricht Kants „Ding an sich“, wenngleich Kuhn bestrebt ist ohne diesen Begriff auszukommen, erklärt Hoyningen-Huene.[16] Kuhn verwirft die „naive realistische Interpretation von Wissenschaft“. Ebenso geht es ihm darum, „die verfeinerte realistische Wissenschaftsphilosophie zurückzuweisen, die den Prozess der Wissenschaft als fortschreitende ‚Annäherung an die Wahrheit‘ betrachtet.“

Damit befindet Kuhn sich in der Tradition der Gegnerschaft sowohl zum Materialismus als auch zur Dialektik. Er verwirft die „verfeinerte realistische Philosophie“, die wesentlich die marxistische Tradition darstellt, trotz Kuhns Unkenntnis des Marxismus. Wissenschaft schreitet fort, sie nähert sich der Wahrheit, allerdings nicht auf einfachem, gerade führendem Wege. „Der Weg des Fortschritts ist krumm, unterbrochen, zickzackförmig.“[17] Trotzki drückt dies in der ihn kennzeichnenden brillanten Weise aus:

“Das menschliche Gehirn ist ein Entwicklungsprodukt der Materie und gleichzeitig ein Instrument zur Erkenntnis dieser Materie; allmählich passt es sich seiner Funktion an, versucht, seine Beschränkungen zu überwinden, bringt immer neue wissenschaftliche Methoden hervor, erdenkt immer komplexere und präzisere Instrumente, legt sich über seine Tätigkeit wieder und wieder Rechenschaft ab, dringt Schritt für Schritt in vorher unbekannte Tiefen ein, verändert unsere Konzeption der Materie, ohne sich doch von dieser Grundlage alles dessen, was existiert, zu lösen.“[18]

Was ist zu der anderen Welt zu sagen, auf die Kuhn sich bezieht, die Welt, die wechselt, wenn das Paradigma wechselt? Dies ist eine „wahrgenommene Welt“ des Wissenschaftlers, von der Kuhn behauptet, dass sie vor und nach einer wissenschaftlichen Revolution radikal wechsele. Während Kant versucht hat, die Probleme der Philosophie mit dem unbekannten „Ding an sich“ und der einen Welt der Erscheinungen oder Phänomene zu lösen, hat Kuhn es, wie Hoyningen-Huene erklärt, primär mit mehreren getrennten und inkommensurablen Erscheinungswelten zu tun. Trotz Multiplizieren der verfügbaren „Welten“ entfernen wir uns noch weiter von der objektiven Realität, als es Kant ursprünglich tat.

Woher stammen Kuhns Ideen über Geschichte und Philosophie? Er hält sich sehr bedeckt mit Verweisen in seinem Buch und er ist entwaffnend, wenn er auf seinen Mangel an philosophischer Bildung hinweist. Es gibt überraschend wenige Arbeiten, die sich mit dem Ursprung von Kuhns Ideen befassen, doch ein Artikel von Michael Friedmann[19] enthält einige Informationen. Kuhn teilt uns in der Struktur mit, wie er von der Theoretischen Physik zur Wissenschaftsgeschichte wechselte und drei Jahre als Juniormitglied der ‚Society of Fellows‘ an der Harvard University verbrachte. Neben seinem Studium der Schriften von Alexandre Koyré, nennt Kuhn die Historiker Emile Meyerson, Hélène Metzger und Anneliese Maier. Wenngleich Friedmann widerspricht, dass diese weniger bekannten Gelehrten von Kuhn „Neukantianer“ genannt wurden und er die Unterschiede zwischen ihnen darlegt, so muss er doch akzeptieren, dass dies die tiefgreifende Tradition war, der sie angehörten.

Kuhn betrachtete diese neukantianische Geschichtsschule als “neue Geschichtsschreibung”. Er sah diese als Abkehr von der „alten“ Tradition, der die meisten Wissenschaftler instinktiv folgen würden und aktuelle wissenschaftliche Konzepte hinsichtlich ihrer Evolution, einem kumulativen historischen Fortschritt, betrachteten. Der „alte“ Ansatz wird gewöhnlich als simplifizierender, abwägender Evolutionismus präsentiert, statt einzugestehen, dass sich Fortschritt in Widersprüchen, Sprüngen und Rückschlägen, also in marxistischem Verständnis, vollzieht. Es handelt sich um das, was Wissenschaftshistoriker heute geringschätzig „Whig-Geschichtsschreibung“ nennen und mit weiteren schmähenden Begriffen wie „Szientismus“ und „Positivismus“ belegen.

In echt neukantianischer Manier behauptete Kuhn, dass die Aufgabe des Historikers darin bestehe “in den Kopf der Mitglieder der Gruppe zu steigen, die eine besondere wissenschaftliche Fachrichtung über einen gewissen Zeitraum betreibt…“[20] Daher die Betonung auf der „Rekonstruktion“ verschiedener Verzweigungen der Wissenschaft in der Vergangenheit; daher die Unterstellung, dass sie von einem heutigen „präsentischen“ Leser, der kein Experte der Geschichte ist, nicht verstanden werden könnten. Gemäß Hoyningen-Huene wurde dieser neue Ansatz in der Wissenschaftsgeschichte und der „neuen Geschichtsschreibung“, der in Wirklichkeit ein seit langer Zeit bestehendes Merkmal der deutschen neukantianischen Philosophie ist, in den 1970er Jahren in den Vereinigten Staaten der vorherrschende Trend.

Der Philosoph Georg Lukács schrieb über die Entwicklung des Neukantianismus nach der Revolution von 1848 in Deutschland. Die Gelehrten waren sich einig: „Dialektik ist Unsinn, ist prinzipiell unwissenschaftlich; der Weg der deutschen Philosophie von Kant zu Hegel ist ein großer Irrweg, eine wissenschaftliche Sackgasse; zurück zu Kant! muss die Parole der Philosophie sein.“[21] Lukács erläutert: „die Neukantianer in der Zeit der ‚Sekurität‘ glaubten, den neuen Feind, den Sozialismus (den dialektischen und historischen Materialismus) durch Totschweigen erledigen zu können. Sie meinten: der Kantsche Agnostizismus, als allein ‚wissenschaftliche‘ philosophische Methode, kombiniert mit dem kategorischen ethischen Gebot[22], sich unbedingt dem Hohenzollernsystem[23] zu unterwerfen, reiche vollständig aus, um alle ideologischen Gefahren zu beseitigen.“ Jeder Fortschrittsgedanke sollte begrenzt werden auf eine schrittweise Evolution innerhalb des westlichen Kapitalismus. „Jedenfalls erscheint von diesem Standpunkt aus jede Bewegung der Geschichte in Widersprüchen und Gegensätzen als reiner unwissenschaftlicher Unsinn.“[24] Lukács brachte die Entwicklung irrationaler Tendenzen in Deutschland in Verbindung mit dem späteren Aufstieg des Nationalsozialismus. Insofern einige liberale Neukantianer in Widerstreit mit aggressiveren Formen des Irrationalismus gerieten, war ihre mangelhafte Philosophie zu hilflos, um diesen austragen zu können.

Während Kant dem Materialismus gegenüber ambivalent war, waren seine Schüler im 19. und 20. Jahrhundert dies nicht. Lukács wies in Bezug auf Dilthey darauf hin: “wie bei allen modernen Kantianern werden auch bei Dilthey die Schwankungen des Meisters zum Materialismus (…) vollständig liquidiert.“[25] In Kuhns Schriften spiegelt sich dies wider.

Zum Abschluss: Ohne Untersuchung des politischen Hintergrundes seiner Arbeit ist das Verständnis von Kuhns Rolle nicht vollständig. Fuller[26] teilt mit, dass Kuhns Mentor James Bryant Conant (1893-1978) war. Er war Präsident der Harvard University (1933-1953), Direktor des National Defense Research Committee (NDRC) während des Zweiten Weltkriegs, in welcher Eigenschaft er verantwortlich für die Überwachung des Baus der ersten Atombombe war, und in den 1950er Jahren Vorsitzender des Committee on the Present Danger (CPD), einer antikommunistischen Lobby aus dem Kalten Krieg. Conant führte Kuhn in das Studium der Wissenschaftsgeschichte ein. Die Struktur ist Conant gewidmet. Gemäß Fuller hielt Kuhn „Conants Wissenschaftspolitik für unstrittig – sogar für eine selbstverständliche Weltsicht.“[27]

Conant gründete den Kurs in Harvard, um den die Struktur sich entwickelte und arrangierte für Kuhn ein dreijähriges Harvard-Stipendium für sein Studium der Geschichtswissenschaft.

Der Harvard-Kurs beabsichtigte, nichtwissenschaftliche Fachleute auszubilden, die künftige politische und Wirtschaftsführer der Vereinigten Staaten sein sollten. Was sollte geschehen? Conant, ehemaliger Professor für Chemie, nahm wahr, dass die Wissenschaft im 20. Jahrhundert eine exponentielle Ausdehnung erfuhr. Die Entwicklung der Physik während und nach dem Zweiten Weltkrieg erforderte gewaltige staatliche Ausgaben, die gebunden waren an die Konstruktion der Atombombe und die Expansion der militärischen Hegemonie der USA. Es wurde unerlässlich für die amerikanische herrschende Klasse, ihre eigene ideologische Auffassung zur Wissenschaft und Wissenschaftspolitik zu entwickeln. Viele der besten Wissenschaftler und Intellektuellen wurden vom Marxismus angezogen, sowohl durch die Perspektive des dialektischen Materialismus als auch durch die politische Anschauung, dass die Wissenschaft die Technologie einer künftigen sozialistischen Gesellschaft zu entwickeln vermag.

Conant selbst begann das Studium der Wissenschaftsgeschichte in der Absicht, eine ideologische Auffassung hervorzubringen, die der herrschenden Klasse die Wissenschaft sichern und die Wissenschaftler nachdrücklich vom Marxismus fernhalten sollte. Er war derjenige, der die „Fallstudien“ vorantrieb, in erster Linie zu Wissenschaftlern aus der Zeit vor dem 20. Jahrhundert. Er wollte charakteristische intellektuelle Eigenschaften isolieren, oder was er dafür hielt, die sich „innerhalb“ der Wissenschaft befinden. Es war dieser Ansatz, dem Kuhn folgen sollte.

Conants Erfolge waren begrenzt. Seine Bücher, etwa Science and Common Sense (1961; [dt. Wissenschaft und Gesunder Menschenverstand]) waren schwerlich Bestseller. Indem Kuhn an die Geschichte unter verschiedenen Aspekten der hundertjährigen neukantianischen Auffassung herantrat, die eine viel anspruchsvollere Opposition zum Marxismus darstellt als Conants hausbackener Pragmatismus, erreichte er ein unvergleichlich größeres Publikum. Kuhns Stil ist einfach zu lesen und falls man sie nicht allzu gründlich prüft, scheinen seine Ideen einfach zugänglich zu sein. Weder Conant noch Kuhn hätten den tiefgehenden Einfluss vorhersagen können, den Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen in der Bildung offizieller Ideologie während der vergangenen fünfzig Jahre haben sollte.

Siehe auch: Einsteins Schwerkrafttheorie durch NASA-Satelliten bestätigt

[1] Thomas S. Kuhn: The Structure of Scientific Revolutions, University of Chicago Press, Chicago, 3rd edition, 1996. Für die Übersetzung wird aus der Ausgabe Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006, zitiert.

[2] Alan Sokal: Beyond the Hoax, Oxford University Press, Oxford, 2008, S. 192 (aus dem Englischen).

[3] Thomas Nickles (Hg.): Thomas Kuhn, Cambridge University Press, Cambridge, England, 2003, S. 1 (aus dem Englischen).

[4] Steve Fuller: Thomas Kuhn, University of Chicago Press, Chicago and London, 2000, S. 31 (aus dem Englischen).

[5] Thomas S. Kuhn, op. cit., S.52.

[6] Vgl. beispielsweise http://www.aip.org/history/cosmology/ideas/expanding.htm

[7] Thomas S. Kuhn, op. cit., S.97-98.

[8] Thomas S. Kuhn, op. cit., S.114ff.

[9] Leo Trotzki: Das ABC der materialistischen Dialektik, in Ders.: Verteidigung des Marxismus, Essen 2006, S.59-75.

[10] Albert Einstein: Grundzüge der Relativitätstheorie (7.Auflage), Springer Verlag 2009, S.86ff.

[11] Leo Trotzki: Kultur und Sozialismus, in: Ders.: Fragen des Alltagslebens, S.188, Essen 2001

[12] Hier Übersetzung aus dem Russischen nach Л. Троцкий: Д. И. МЕНДЕЛЕЕВ И МАРКСИЗМ, http://magister.msk.ru/library/trotsky/trotl961.htm; die deutsche Fassung Dialektischer Materialismus und Wissenschaft in: Leo Trotzki: Denkzettel. Politische Erfahrungen im Zeitalter der permanenten Revolution, Frankfurt am Main, S.398-408 ist nicht vollständig. Englische Fassung: http://www.marxists.org/archive/trotsky/1925/09/science.htm;

[13] Leo Trotzki: Dialektischer Materialismus und Wissenschaft in: Ders.: Denkzettel. Politische Erfahrungen im Zeitalter der permanenten Revolution, Frankfurt am Main, S.399

[14] Thomas S. Kuhn, op. cit., S.133.

[15] Paul Hoyningen-Huene, Thomas Kuhn’s Philosophy of Science, University of Chicago Press, Chicago and London, 1993, 2. Kapitel

[16] Paul Hoyningen-Huene, op. cit., S.35. (aus dem Englischen)

[17] Leo Trotzki: Dialectical Materialism and Science, http://www.marxists.org/archive/trotsky/1925/09/science.htm (Englische Fassung)

[18] Leo Trotzki: Radioaktivität und Materialismus, in: Ders.: Denkzettel. Politische Erfahrungen im Zeitalter der permanenten Revolution, Frankfurt am Main 1981, S.410 (Auszug aus Dialektischer Materialismus und Wissenschaft)

[19] M. Friedman, in: Thomas Nickles (Hg.), op. cit.

[20] Hoyningen-Huene, op. cit. S. 20. (aus dem Englischen)

[21] Georg Lukács: Die Zerstörung der Vernunft, Luchterhand Verlag, Neuwied am Rhein/Berlin-Spandau 1962, S. 356

[22] Der Kantische Agnostizismus ist die Auffassung, dass die materielle Welt unerkennbar ist, wie oben im Text ausgeführt. Der Kantische moralische Imperativ ist die Annahme einer zeitlosen menschlichen Moral, wie von Leo Trotzki in Ihre Moral und unsere erläutert. Vgl. Leo Trotzki: Fragen des Alltagslebens, Essen 2001, S. 211-248.

[23] Die Hohenzollern stellten das Herrscherhaus Preußens.

[24] Georg Lukács , op. cit. S. 356f.

[25] Georg Lukács , op. cit. S. 364.

[26] Fuller, op.cit. besonders Kap. 3 & 4.

[27] Fuller, op.cit. S. 6.

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